Interview vom 31.05.25
Stage Vibe:
Nele Neugebauer ist nicht nur eine herausragende und leidenschaftliche Musical-Darstellerin, sondern wagt jetzt, nach vielen anderen Aufgaben hinter der Bühne, den nächsten Schritt. Mit ihrem Regiedebüt für das Musical "Im Auge des Sturms" bringt sie ihre kreative Vision selbst auf die Bühne.
In diesem Interview spricht sie mit uns über ihre neue Rolle als Regisseurin, ihre persönlichen Herausforderungen - und darüber, wie es sich anfühlt, plötzlich selbst die Fäden in der Hand zu halten.
Stage Vibe:
Hallo Nele, du bist mit Sicherheit eine der vielseitigsten Musical-Darstellerinnen im deutschsprachigen Bereich und stehst seit Jahren erfolgreich auf der Bühne – sowohl in Hauptrollen als auch im Ensemble von Musicals. Unter anderem bei Ku’damm 56, Fack ju Göhte oder Sister Act, um nur Einige zu nennen. Doch deine Arbeit geht weit über das Rampenlicht hinaus: Als Choreografin, Dance Captain und Resident Director hast du zahlreiche Produktionen auch hinter den Kulissen geprägt. Nun folgt der nächste große Schritt – dein Regiedebüt mit „Im Auge des Sturms“, das im Mai 2026 im Kulturzentrum Fürth Premiere feiern wird.
Stage Vibe
Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass du im Mai 2026 mit „Im Auge des Sturms“ im dein Regiedebüt feiern wirst?
Nele
Erstmal sehr sehr aufregend. Ich habe das Gefühl, dass dieses Stück so wahnsinnig großes Potenzial hat und ich möchte dem irgendwie gerecht werden und die Geschichte so erzählen, das die Zuschauenden genauso begeistert davon sein werden, wie ich es jetzt schon bin.
Ich hab das Gefühl, ich hab so eine Schmetterlingslarve in der Hand und versuche jetzt mich so gut um sie zu kümmern, dass sie schlüpfen kann.
Stage Vibe
Und was bedeutet dieser Schritt zur Regisseurin für dich persönlich – ist es für dich ein mutiger Aufbruch, ein natürliches Fortkommen deiner Karriere oder ein lang gehegter Traum?
Nele
Das ist eine sehr gute Frage. Tatsächlich hat sich meine Karriere ziemlich selbstständig dahin entwickelt. Ich bin ja hauptsächlich auf der Bühne tätig und habe zwar schon immer mit dem Kreativteam und eben auch Regie geliebäugelt aber ich dachte ehrlich gesagt nicht, dass dieser Schritt schon so früh in meinem Leben passieren würde. Ich glaube aber fest daran, dass man Chancen, wenn sie sich bieten, annehmen sollte.
Stage Vibe
Was hat dich dazu bewegt, jetzt den nächsten Schritt zu gehen und selbst Regie zu führen – und warum gerade mit „Im Auge des Sturms“?
Nele
Ich formuliere es mal so, ich glaube es hätte kein anderes Stück als „Im Auge des Sturms“ sein können. Ich bin auf eine natürliche Weise zu diesem Stück gekommen und war erstmal bei einigen Workshop-Präsentationen dabei und habe da selbst noch als eine der Hauptfiguren (Pepper) auf der Bühne gestanden. Von Anfang an hat mich die Story und die wunderschöne Musik gepackt und ich hatte einfach direkt einen Zugang dazu. So was wie Liebe auf den ersten Blick! Und dann habe ich mich auch mit Nic (Komposition) und Annabell (Buch, Dramaturgie) direkt gut verstanden - wir haben gevibed. Die beiden haben mich dann gefragt, ob ich Lust hätte die Regie zu übernehmen und das hat mich wahnsinnig gefreut. Also kurz gesagt, ich verbinde persönlich extrem viel mit der Story des Stücks und deswegen denke ich ist es für mein Regiedebüt auch perfekt.
Stage Vibe
Kannst du uns kurz beschreiben, worum es in „Im Auge des Sturms“ geht und was das Stück für dich so besonders macht?
Nele
Es geht um eine Gruppe Jugendlicher, die in einer Kirche Schutz vor einem mysteriösen immerwährenden Sturm suchen. Sie leben dort teilweise schon seit langer Zeit, abgeschottet von der Außenwelt. Mit der Zeit zeigen sich Konflikte in der Gemeinschaft: Trito, das Oberhaupt der Gruppe, kämpft mit Fragen von Schuld und Identität. Neuankömmling Lila sorgt für Trubel, denn die engen Freund*innen Felix und Pepper entwickeln beide Gefühle für sie, während Lila sich ihrer eigenen Gefühle zunächst noch klar werden muss.
Die Gefahr steigert sich immer weiter, bis es zu einem großen Streit kommt und der Sturm in die Kirche einbricht. Soviel sei gesagt, das Ende verrate ich natürlich noch nicht! Wir beschäftigen uns sehr viel mit der Frage nach Identität und auch Themen wie Diskriminierung gegen Minderheiten etc.
Und natürlich ohne es banalisieren zu wollen, einfach das Thema Pubertät und Erwachsenwerden.
Es gibt einige Dinge, die ich an dem Stück (vor allem für ein deutschsprachiges Musical) sehr besonders finde.
Ich versuche mal mich kurzzuhalten ;)
Zuerst einmal und es ist schade, das als etwas Besonderes herauszuheben, haben wir drei Hauptfiguren von denen zwei Frauen und eine nicht-binär sind.
Das ist leider in der deutschen Musicallandschaft noch immer etwas extrem Seltenes und fast schon Revolutionäres und etwas, das ich persönlich gerne viel mehr auf der Bühne sehen würde.
Dann muss ich auch die Musik nennen. Nic hat viel mit Kirchentonarten gearbeitet und die aber in unterschiedlichsten Farben eingesetzt. Die Musik rangiert von großen Musicalnummern, bis hin zu sehr intimen, fast schon Singer-Songwriter Momenten und sind dabei trotzdem total aus einem Guss und wahnsinnig gefühlvoll.
Und ich hoffe natürlich, dass auch ich in der Erzählweise des Stückes etwas Besonderes mitbringen werde. Das wissen wir aber erst nächsten Mai ;)
Stage Vibe
Du hast als Darstellerin, Choreografin, Dance Captain und Resident Director gearbeitet – wie helfen dir all diese Erfahrungen für dein Regiedebüt und wie gelingt es dir, all diese Aufgaben unter einen Hut zu bringen, ohne den Überblick zu verlieren?
Nele
Haha- ich musste kurz lachen, denn wenn man es mal so Schwarz auf Weiß liest, ist das schon ein bisschen verrückt alles.
Also erstmal denke ich, dass jede Erfahrung die man im Theater sammelt am Ende von Vorteil ist. Ich glaub, je mehr Kenntnisse man über die verschiedenen Gewerke etc. hat, desto besser kann man einschätzen was es für Möglichkeiten gibt. Ich freue mich im Speziellen, dass ich jetzt zum ersten Mal sowohl Regie als auch Choreografie machen werde. Ich finde es immer sehr toll und spannend zu sehen, wenn bei Musicals auch ganz speziell an das Thema Bewegung herangegangen wird. Damit meine ich gar nicht mal unbedingt Tanz, sondern einfach die Art und Weise wie die Geschichte auch physisch erzählt wird. Nehmen wir zum Beispiel eine Show wie „Hamilton“ - da finde ich die Symbiose zwischen Bewegung und Geschichte perfekt und ich denke da kann ich auf jeden Fall viel aus meiner Arbeit als Choreographin mitnehmen.
Um den zweiten Teil der Frage zu beantworten und die Antwort ist vielleicht ein bisschen langweilig aber - ich bekomme das alles unter einen Hut indem ich sehr diszipliniert und strukturiert arbeite. Sonst ginge das, glaub ich, nicht. Ich plane meine Tage und Wochen sehr gut durch und dann mache ich das auch. Und meine Arbeit macht mir großen Spaß! Da kann ich sehr viel Energie draus ziehen. So richtig anstrengend wird es nur wenn mich ein Job nicht kreativ erfüllt - ich glaube sonst kann ich alles schaffen.
Stage Vibe
Gibt es Routinen oder Tools, die dir helfen, sowohl auf als auch hinter der Bühne strukturiert zu arbeiten?
Nele
Ja! Ich liebe meine Routinen :D Die unterscheiden sich natürlich je nachdem was ich gerade tue, aber es gibt ein paar Dinge, die bleiben immer gleich und die haben vor allem viel mit dem Thema geistige und körperliche Gesundheit zu tun.
Gut essen, genug schlafen, Tagebuch schreiben, Sport machen, in die Natur gehen und extrem wichtig - Pausen für Geist und Körper einplanen und einhalten, egal wieviel man grade zu tun hat.
Stage Vibe
Wie gehst du mit dem Thema Verantwortung um – immerhin hängt als Regisseurin vieles an dir?
Nele
Ich habe kurz gesagt kein Problem mit Verantwortung. Ich hab die irgendwie auch schon sehr früh gehabt in meinem Leben. Ich bin mit Pferden groß geworden und hatte ab dem Zeitpunkt als ich 11 wurde ein eigenes Pferd, um das ich mich gekümmert habe. Und da lernt man echt viel. Ich lerne außerdem auch grade wieder mir Fehler zu erlauben und dann nicht direkt zu „katastrophisieren“. Das kann ich noch nicht so gut, würde mir aber gerade im Umgang mit Verantwortung, glaube ich, sehr helfen. Es erwartet ja erstmal niemand, dass ich jetzt direkt bei der ersten Regie weiß, wie alles läuft - nur meine eigene Erwartungshaltung an mich ist wie immer extrem hoch.
Stage Vibe
Wie gehst du als Regisseurin an das Stück heran? Denkst du eher in Bildern, Emotionen oder schon konkret in Szenen?
Nele
Ich gehe immer sehr inhaltlich an Dinge heran - also was ist die Geschichte und was möchte ich den Zuschauenden an Emotionen und Gedanken mitgeben. Konkret in Szenen denke ich nicht. Ich plane natürlich grob alles durch, aber ich möchte vor allen Dingen auch viel mit den Darstellenden entwickeln und schauen was da kommt.
Stage Vibe
Worauf freust du dich bei der Arbeit als hauptverantwortliche Regisseurin am meisten – und gibt es auch etwas, das dir Respekt einflößt?
Nele
Alles daran flößt mir Respekt ein! Und gleichzeitig freue ich mich auch auf alles.
Ich glaube, ich freue mich besonders darauf, schauspielerisch zu arbeiten. Figuren zu entwickeln und die dann die Geschichte erzählen zu lassen. Ich denke, das kommt daher, dass ich da natürlich als Darstellende einen konkreten Zugang zu habe.
Und weil ich mir oft in Produktionen denke: „Wenn man sich ein bisschen mehr Zeit für die Figurenentwicklung nehmen würde, würden sich einige Probleme von selbst lösen.“ Werden wir dann ja sehen, ob das so stimmt ;)
Stage Vibe
Du hast sicher schon viele Regiekonzepte erlebt und kennst Musical-Produktionen aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. Gibt es etwas, das du anders machen möchtest? Oder einen besonderen Stil, den du einbringen willst?
Nele
Also das Thema Bewegung habe ich ja schon angesprochen, aber das ist sehr wichtig. Ich möchte auch gerne von allen Fähigkeiten die die Darstellenden mitbringen Gebrauch machen und schauen, was da noch so passieren kann. Generell würde ich gerne versuchen, einen sehr modernen Zugang zum Musical zu finden und mich stark aufs „storytelling“ zu konzentrieren. Ich habe auch vor (ohne jetzt zu viel zu verraten oder jemanden abzuschrecken), das Ganze ein bisschen immersiver zu gestalten und 360 Grad zu bespielen. Sprich, weg von "Es gibt nur eine Bühne die bespielt wird und alle Zuschauenden sitzen davor" und stattdessen den gesamten Raum bespielen, sodass die Zuschauenden wirklich mitten im Geschehen sitzen.
Aber ich kann es nur immer wieder betonen mir geht es in erster Linie darum die Geschichte gut zu erzählen, sodass die Menschen berührt werden, eventuell Gedankenanstöße bekommen und last but not least, auch gut unterhalten werden.
Stage Vibe
Gab es einen Moment, in dem du gespürt hast: „Jetzt möchte ich mich stärker hinter die Bühne bewegen“?
Nele
Nein nicht so konkret und das spüre ich auch nicht in der Form. Ich hab mir nur oft gedacht „Das würde ich anders machen.“
Aber ich möchte mich auch gar nicht unbedingt stärker hinter die Bühne bewegen. Ich möchte gerne beides machen und zeigen, dass das absolut möglich ist.
Raus aus unseren gedanklichen Gefängnissen, in denen es immer nur entweder oder gibt.
Stage Vibe
Was erfüllt dich persönlich mehr – das Performen auf der Bühne oder das kreative Arbeiten hinter den Kulissen?
Nele
Kann ich glaub ich, so pauschal nicht beantworten. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und zu singen, spielen, tanzen. Und ich fühle mich da wohl und sicher, je nachdem, welche Rolle ich spiele. Gleichzeitig ist es toll im Kreativteam zu sein und die Entwicklung eines Stückes von Anfang an mitzumachen. Da passiert ja so unendlich viel schon lange vor dem ersten Probentag und das bekommt man als darstellende Person gar nicht mit. Ich möchte mich nicht entscheiden müssen und beides erfüllt mich auf unterschiedlichen Ebenen.
Stage Vibe
Und zum Schluss: Wird die Regie eine einmalige Sache bleiben oder dürfen wir auf weitere Inszenierungen hoffen?
Nele
Ich kann das, glaub ich, erst nach unserer Premiere entscheiden. Es kommt drauf an, wieviel Spaß mir die Arbeit macht und natürlich auch ob ich das überhaupt kann und zwar so kann, dass ich mit mir selbst zufrieden bin. Aber so ganz prinzipiell, kann ich mir auf jeden Fall schon vorstellen, nochmal Regie zu führen.
Stage Vibe
Lieben Dank, für das spannende Gespräch und die offenen Einblicke in deine Arbeit, Nele. Ich wünsche dir schon einmal viel Erfolg für dein Regiedebüt und zunächst einmal für „School of Rock“. Ich bin gespannt, was wir in Zukunft noch alles von dir sehen dürfen!
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.