Abenteuerland

„Abenteuerland – Das PUR-Musical“
Familien-Musical mit Ohrwurmgarantie
Ein musikalischer Roadtrip durch Generationen, Sehnsüchte und Songs – zwischen Stadionfeeling und Wohnzimmerintimität.
Ein Jahr, ein Haus, ein ganz normales Chaos.
Im Musical „Abenteuerland“, das im Oktober 2023 im Capitol Theater Düsseldorf Premiere feierte, treffen drei Generationen der Familie Schirmer aufeinander – und mit ihnen all das, was unser aller Alltag ausmacht: Teenager-Wut, Midlife-Crisis, Online-Dating, Schulfrust, Coming-outs, Familienrituale und heimliche Träume.
Was leicht nach Kitsch klingt, funktioniert auf der Bühne erstaunlich gut. Die Handlung um die Familie Schirmer ist bewusst alltagstauglich gehalten – nicht spektakulär, aber empathisch erzählt. Dabei dient die Musik von PUR nicht nur als Soundtrack, sondern als emotionaler Resonanzraum: Lieder wie „Ich lieb’ dich“, „Allein vor dem Spiegel“ oder „Abenteuerland“ werden hier nicht bloß zitiert, sondern sinnstiftend in die Lebensrealität der Figuren eingebettet. Das Publikum lacht, weint, singt – und erkennt sich wieder.
Bühnenbild im Cinemascope-Format
Regisseur Dominik Flaschka und Bühnenbildner Stephan Prattes haben im Capitol Theater einen riesigen Spielplatz für Emotionen erschaffen: Eine durchgehende Bühne von über 30 Metern, flankiert von einem Projektionshorizont im XXL-Format. Herzstück ist ein wandelbares Gerüst mit Wohnküche, Bad, Schlafzimmer und Drehbühne – ein Mikrokosmos des familiären Miteinanders.
Die Übergänge zwischen Alltag und Gefühl, Szenen und Songs sind fließend. Bewegte Projektionen, Lichtstimmungen und akustische Einbettungen schaffen Atmosphäre ohne Effekthascherei. Man spürt: Das Technische steht nie im Vordergrund – es dient der Geschichte. Und genau das macht die Inszenierung stark.
Cast: Ein Ensemble mit Herz und Haltung
Der eigentliche Glanzpunkt von „Abenteuerland“ ist das nahezu konstant besetzte Ensemble, das über 17 Monate hinweg 454 Vorstellungen absolvierte – mit sichtbarer Spielfreude, hoher Professionalität und emotionaler Tiefe.
Allen voran: Mascha Volmershausen als Teenagerin Anna, die zwischen Einsamkeit, Mobbing, innerer Wut und Hoffnung pendelt. Ihre Interpretation von „Allein vor dem Spiegel“ gehört zu den bewegendsten Momenten der Show.
Hannes Staffler gibt dem Vater Robert Tiefe – zerrissen zwischen Resignation und Aufbruch. Sein Schauspiel changiert klug zwischen Sarkasmus und Verletzlichkeit, sein Gesang ist klar und kraftvoll. Carolin Soyka als Mutter Petra punktet mit Timing, Stimme und Nahbarkeit in nahezu jedem Einsatz.
Die junge Generation überzeugt durchweg: Johann Zumbült (Alex), Elvin Karakurt (Amira) und Lukas Baeskow (Tom) spielen ihre Rollen mit Authentizität – nie overacted, nie gefällig, sondern ehrlich. Dass hier auch queere Themen selbstverständlich verhandelt werden, ohne plakative Botschaften, spricht für die kluge Rollenzeichnung.
Bärbel Röhl (alternierend Regina Venus) als Oma Lena und Harrie Poels als Karl bringen Witz und Wehmut ins Spiel – ihre Dating-Geschichte ist eine zärtliche Reminiszenz an das Leben nach dem Leben. Jana Stelley als Beate und Kim-David Hammann als multipler Erzähler („Mr. X“) setzen zwischendurch immer wieder komödiantische und kommentierende Akzente.
Ein Konzert? Ein Musical? Ein Gefühl!
Wer PUR kennt, wird in dieser Show nicht enttäuscht: Die Songs sind klanglich modernisiert, mehrstimmig arrangiert und dramaturgisch sinnvoll eingebunden. Wer PUR nicht kennt, wird ebenfalls abgeholt – denn hier zählt nicht das Fanwissen, sondern das Gefühl.
In der „Funkelperlenaugen“-Szene gleicht der Saal einem Stadion. Aber auch die leisen Nummern – etwa „Wenn sie diesen Tango hört“ – funktionieren als Miniaturen der Verletzlichkeit. Die Show schafft einen Spagat zwischen Gemeinschaftserlebnis und Innenansicht – selten gelingt das im Musical so überzeugend.
Ein paar Dissonanzen
Natürlich gibt es auch Schwächen. Die Erzählstruktur bleibt oft vorhersehbar. Einige Konflikte (z. B. Annas Schuldramen oder Amiras Schwangerschaftsangst) werden angerissen, aber nicht tief ausgelotet. Auch in puncto Akustik wurde am Capitol Theater Kritik laut – zu Recht.
Doch das sind Nebengeräusche. Im Kern bleibt „Abenteuerland“ ein sehenswertes, gefühlsechtes Stück Musicalerzählung – getragen von einem Ensemble, das spürbar zusammengewachsen und nicht nur für PUR-Fans ist.
Fazit:
„Wir reiten den Sturm, auch wenn's keiner sieht“
„Abenteuerland“ ist mehr als ein Jukebox-Musical. Es ist ein Stück Gegenwart – mit Hits von gestern, Stimmen von heute und Geschichten von uns allen. Kein intellektuelles Theater, kein glamouröses Spektakel – sondern eine emotionale Nahaufnahme mit Ohrwurmgarantie.
Was bleibt? Gänsehaut. Tränen. Mitwippen. Und vielleicht: die Erkenntnis, dass Familie manchmal wie ein PUR-Song ist – voller kleiner Refrains, nerviger Strophen, aber mit einem Refrain, den man nie vergisst.
Düsseldorf 23.12.23