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Hairspray

Silhouette einer Frau in einem blauen, glitzernden Hintergrund mit dem Text „Die Eiskönigin“.

Rezension vom 21.08.25
in Schwäbisch Hall

„Hairspray“ ist ein Musical, das durch hohes Tempo, nicht abreißendem Humor und eine klare Botschaft überzeugt, und genau das gelingt der Wiederaufnahme in Schwäbisch Hall vor der Kirche St. Michael auf bemerkenswerte Weise. Der offene Spielort mit seiner monumentalen Freitreppe wirkt dabei wie eine eigene Figur des Abends. Er fordert große choreografische Bilder und präzises Schauspiel und verleiht den Momenten, in denen die Grooves der Sechzigerjahre über die Stufen rollen, eine unverwechselbare Wucht. Die Große Treppe erweist sich einmal mehr als außergewöhnliche Kulisse, die in jeder Szene  diese besondere Atmosphäre widerspiegelt. 

Regie, Rhythmus, Raum

Regisseur Christopher Tölle entscheidet sich für eine Inszenierung, die die Spaß-Maschine „Hairspray“ nicht entschärft, aber klug erdet. Die Show rast mit hoher Schlagzahl, doch an den richtigen Stellen nimmt Tölle das Tempo heraus, etwa im Liebesduett der Turnblads, und gönnt Figuren und Publikum Atem, bevor der nächste Beat zündet. Dass der Abend ohne Pause durchgespielt wird, steigert den Drive, verlangt aber eine dramaturgische Wellenbewegung; die gelingt dank sauber gesetzter Höhepunkte und klarer Raumführung auf den Stufen. Die Choreografien (Nigel Watson und Christopher Tölle) sind präzise getaktet, nutzen die Breite und Steilheit der Treppe für große Ensebles ebenso wie für pointierte „Pärchen-Bilder“. Das Ergebnis ist eine bunte Spaß-Show mit Herz, die die ernsteren Untertöne, Rassismus, Ausgrenzung, Körpernormen, auf ganz subtile Weise und sehr gelungen sichtbar macht.

Musikalischer Puls

„Hairspray“ steht und fällt mit seiner Musik: Motown-, R&B- und Rock’n’Roll-Klänge begleiten die Story mit sattem Fundament und viel Abwechslung voran. Nummern wie "Good Morning Baltimore", "Mama, ich bin nicht mehr klein" und nicht zuletzt "Du bist zeitlos für mich" werden zu Ohrwürmern und bleiben lange in Erinnerung. Die Produktion betont die Feel-Good-Qualitäten, ohne die Botschaft zu verwässern. Es bleibt ein Theaterabend, der gute Laune macht und Haltung zeigt. 

Eine Cast, die in jeder Hinsicht überzeugt

Die Besetzung von „Hairspray“ in Schwäbisch Hall präsentiert sich auf einem außergewöhnlich hohen Niveau und zeigt in allen Disziplinen, was eine starke Musicalproduktion ausmacht. Gesanglich wird von der ersten Nummer an ein durchgehend hohes Level gehalten: kraftvolle Stimmen und eine Präsenz, die sowohl die intimen Momente als auch die großen Show-Momente einzigartig macht.

Schauspielerisch gelingt es jeder Darstellerin und jedem Darsteller, ihre bzw. seine Figur klar zu zeichnen und mit eigenem Profil zu füllen. Ob komödiantische Zuspitzung, auf emotionaler Ebene oder pointiertes Timing. Alle Rollen wirken ausgearbeitet, werden mit sichtbarer Spielfreude verkörpert und zeigen eine Vielseitigkeit, die sowohl in den humorvollen als auch in den berührenden Momenten überzeugt.

Auch tänzerisch bewegt sich die Cast auf der großen Treppe auf sehr hohem Niveau: präzise, konsequent und dennoch mit scheinbarer Leichtigkeit ausgeführt. Die großen Choreografien wie „Willkommen in den Sixties“ oder das Finale „Niemand stoppt den Beat“ entfalten ihre Wirkung nicht nur durch perfekte Synchronität, sondern auch durch die Ausstrahlung jedes Einzelnen.

Diese Cast ist nicht einfach gut eingespielt. Sie ist auf allen Gebieten herausragend und trägt maßgeblich dazu bei, dass diese „Hairspray“-Produktion ihre Botschaft mit Wucht und Wärme zugleich vermittelt.

Um nur Wenige zu nennen:

Daniela Tweesmann (Tracy Turnblad) führt den Abend mit Leichtigkeit, Power in der Stimme und dieser Mischung aus Frechheit und Herz, die Tracy braucht, um glaubhaft gegen eine ganze Fernsehwelt zu rebellieren. 

Andrea Matthias Pagani (Edna Turnblad) überzeugt als Edna mit warmem Bariton und feinem Timing zwischen Selbstzweifel, Schutzinstinkt und Showgirl-Glam. ein Publikumsliebling, ohne in Klamauk zu kippen. 

Mirjam Wershofen (Penny) gibt der besten Freundin komödiantische Schlagkraft und eine echte Coming-of-Age-Kurve. Malcolm Quinnten Henry (Seaweed) liefert Spielfreude plus Choreo-Power, Monica Lewis-Schmidt (Motormouth Maybelle) serviert mit „I Know Where I’ve Been“ den Gänsehaut-Moment des Abends, und Maaike Schuurmans (Velma von Tussle) setzt den zynisch funkelnden Gegenpol. Diese Rollenprofile greifen wie Zahnräder ineinander und genau so muss es bei „Hairspray“ sein. 

Dass die Produktion als Wiederaufnahme seit dem 15. August noch einmal auf die Große Treppe zurückgekehrt ist, spricht für Resonanz und Zugkraft dieser Version. 

Ausstattung und Look

Kostüme und Perücken liefern die 60s-Ikonografie (Bienenstock-Frisuren, Pastell-Welten, Glitzer), ohne zur billigen Stilkopie zu werden. Das Farbkonzept unterstützt die Erzähllinien  „schön bunt“ in der Corny-Collins-Welt. Bühne und Kostüme ergänzen sich perfekt und sorgen für ein zusammengehöriges Bild. Gerade open air sind klare Farben und Strukturen Gold wert. Diese Produktion versteht das und übersetzt es in Bühnenwirkung.

Fazit

„Hairspray“ in Schwäbisch Hall ist eine mitreißende, klug getaktete Open-Air-Produktion, die ihre Feel-Good-Energie nie verliert. Regie, Choreografie und Musik arbeiten Hand in Hand und die Bühne wird zum Resonanzraum. Die starke Gesamtleistung der gesamten Cast, die nicht hoch genug anerkannt werden kann, macht aus einem ohnehin publikumswirksamen Titel einen Theaterabend, der unglaublich Spaß macht, Herz hat und Haltung zeigt. Wer eine Sommerproduktion sucht, die Glanz, Groove und gesellschaftliche Relevanz verbindet, ist hier genau richtig!

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